Vor etwa einem Jahr machte Arbeitsminister Kocher im Standard darauf aufmerksam dass „ein Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland“ entstehen würde. Das Problem hat sich seitdem verschärft. Es gäbe aber Lösungsansätze.

How Austria Can Become a Destination for Highly Qualified Professionals

Dass Österreich seit Jahren einen eklatanten Mangel an Fachkräften in spezifischen Branchen hat, wird von Stakeholdern aus Wirtschaft und Politik ständig betont. Ungeachtet dieser Wortmeldungen wird die Liste vorgemerkter Mangelberufe immer länger.

Ein Mangel besteht jedoch nicht nur bei gelisteten, sondern aufgrund struktureller Ursachen auch bei weiteren Berufen. Die Aufnahme neuer Berufe in die Mangelliste kann jedoch dauern. Zu lange. Manchmal Jahre.

Migration

Ein politisch ungewolltes Thema in dieser Debatte ist die Migration von Fachkräften aus dem Ausland. Da ein Mangel an Fachkräften nicht nur in Österreich, sondern auch in fast allen anderen europäischen Industrieländern herrscht, entsteht der von Minister Kocher angesprochene Wettbewerb zwischen Staaten. Bei diesem Wettbewerb würde laut Kocher die Attraktivität des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes, also  etwa Besteuerung, Möglichkeiten der Selbstentwicklung und Qualifikation von Arbeitnehmern eine entscheidende Rolle spielen.

Die Attraktivität des kleinen Österreichs darf nicht unterschätzt werden. Als österreichische Agentur für Migration von Fachkräften sind wir immer wieder überrascht, wie positiv Österreich auch im Vergleich mit Ländern mit erheblich größerer Wirtschaftskraft wahrgenommen wird. Leider nutzen wir diesen Umstand zu wenig aus.

 

Behörden als Problem

Die Unterstützung qualifizierter Arbeitskräfte in Ihren Migrationsplänen auf Basis des „Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes“ (NAG) ist unsere tägliche Arbeit. Leider stellen wir aber eine eklatante Diskrepanz zwischen der von Arbeitsminister Kocher erwähnten Notwendigkeit, die besten ausländischen Fachkräfte nach Österreich zu holen und der dafür notwendigen Behördenarbeit fest, die als viel zu restriktiv bezeichnet werden muss. Dies mag auch daran liegen, dass in der öffentlichen Debatte nicht ausreichend zwischen Asyl (nicht unser Thema) und Zuwanderung unterschieden wird.

Die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland ist im überwiegenden Fall klar geregelt und bedürfte in der von Kocher beschriebenen Situation nicht auch noch einer strengen Gesetzesauslegung. Wir beobachten dabei ein beträchtliches West-Ost Gefälle in der Behördenarbeit. Während man im Westen schon den Ernst der Lage erkannt zu haben scheint, ist im Osten noch ein verstaubtes und restriktives Obrigkeitsverhalten der Behörden spürbar, was angesichts der abweichenden politischen Mehrheitsverhältnisse insbesondere in Wien doch überraschend ist.

Eine spezifische Form der Zuwanderung stellt die so genannte RWR Karte für selbstständige Schlüsselkräfte dar, die enorme Probleme bereitet. Sie wäre dafür gedacht, qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland eine Unternehmensgründung in Österreich zu ermöglichen, um dann ihrerseits weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Die Geschäftsidee muss daher glaubwürdig Bestand haben und das ist – zugegeben – nur bei einer Minderheit der Fall. Die aktuelle Erfolgsquote liegt bei etwa 15%. Das ist gar wenig. Die Vorgehensweise der Behörden ist nach Auffassung der meisten Fremdenrechtsexperten zu restriktiv. Wirtschaftlich hochinteressante Projekte werden von Beamten abgeschmettert, immer mehr Anwälte und Fremdenrechtsorganisationen ziehen sich vom mühsamen Kampf der gründungswilligen Klienten zurück.

 

3 Schritte, um Österreich beim Gewinnen der besten Fachkräfte besser aufzustellen

1. Behördenkultur

Es wäre wünschenswert, die Behörden (allen voran jene im Osten Österreichs) stärker auf die Gewinnung der besten ausländischen Arbeitskräfte einzuschwören. Externe Fachexperten müssen von den Behörden als Unterstützer wahrgenommen werden. Jeder Mitarbeiter der Abteilungen im öffentlichen Dienst ist dazu angehalten, sich stets die Aussagen von Arbeitsminister Kocher vor Augen zu führen. Hier ist tatsächlich ein radikales Umdenken gefragt.

 

2. Entscheidungsgremien

Im Fall der RWR-Karte für selbständige Schlüsselkräfte ist aktuell das einzig relevante Kriterium für das Gewähren des Aufenthaltstitels die Frage, ob „mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen für Österreich verbunden ist, der über den rein betrieblichen Nutzen hinausgeht“. Diese Frage wird von einer Kommission beurteilt, die überwiegend aus Mitgliedern der Sozialpartner besteht, und zwar für sämtliche Branchen und sämtliche Projekte, deren Beurteilung dieser Frage ein detailliertes, einschlägiges Fachwissen voraussetzt! Wenn der Gesetzgeber mit einer derart allgemeinen Formulierung den Behörden so großen Spielraum gibt, dann soll einer Idee im Interesse des Wettbewerbs aus meiner Sicht im Zweifelsfall zumindest eher eine Chance gegeben werden, als dass sie abgelehnt wird.

 

3. Änderungen im Gesetz

Der Gesetzgeber selbst kann in dieser Hinsicht auch Abhilfe leisten. Bei der wenig konkreten Allgemeinformulierung ist es nicht überraschend, dass die Beurteilung der Kommission oftmals willkürlich erscheint (die 4 exemplarisch aufgezählten Fälle reichen dazu offensichtlich nicht aus). Dies kann nur dann verlässlich unterbunden werden, wenn der Spielraum der Behörden dramatisch eingeschränkt wird, indem eindeutigere Kriterien heranzuziehen sind und somit Entscheidungen der Kommission vorhersehbarer werden. Die bessere Vorhersehbarkeit würde dann sämtlichen Vorfeldorganisationen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Unterstützung der Gründungspläne von Klienten sinnvoll erscheint oder nicht.

Fazit: auch wenn das Thema Migration ein politisch heißes Eisen ist, der von Kocher erwähnte internationale Wettbewerb um die besten Fachkräfte erfordert auch Weichenstellungen. Ansonsten werden die besten ausländischen Arbeitskräfte in anderen attraktiven Ländern Europas arbeiten oder dort Firmen gründen.

 

Christian Dopplmair ist Inhaber einer sog. Relocation Agentur in Österreich. Nach seinem Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien war er u.a. über viele Jahre Auslandsgeschäftsführer von verschiedenen Vertriebsgesellschaften der voestalpine und hat einige Jahre nach seiner Rückkehr nach Österreich die Relocation Agentur ERVICo gegründet.

Dieser Artikel wurde auch in gekürzter Version auf standard.at veröffentlicht.
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